Gießener-Anzeiger vom 09.06.2010
Förster: 90000 Euro Kosten durch Rehe in sechs Monaten
Exkursion des Nabu Lich im Stadtwald – „Einhaltung von Rückegassen oberstes Gebot“
LICH (kr). Zu einer Exkursion des Nabu Lich begrüßte dessen Vorsitzender, Knut Werkle, die Teilnehmer. Förster Eckhard Richter führte die Gruppe quer durch die Waldbestände und erläuterte Aspekte der Forstwirtschaft und des Naturschutzes. Die Einhaltung der Rückegassen, der Fahrtrassen für Rückeschlepper, sei bei der Bewirtschaftung des Waldes oberstes Gebot, betonte er.
Richter: „Die Böden bei Lich sind besonders verdichtungsempfindlich. Bei der ersten Überfahrt eines Traktors werden 50 Prozent der Bodenporen, in denen sich Wasser oder Luft aufhalten, dauerhaft zusammengequetscht. mit entsprechenden Folgen für die Baumwurzeln“.
Habitatbäume sind Bäume mit Höhlen, Horsten oder Faulslellen, die große Bedeutung für Höhlenbrüter oder Pilze haben, so der Forst-Fachmann. Daher werden sie markiert und ihr Holz nicht genutzt, sondern im Wald belassen. Eine besetzte Buntspechthöhle war bei der Exkursion schon auf große Entfernung durch die Bettelrufe der Jungvögel zu erkennen. Ein Problem stellen nach den Worten des Försters die hohen Rehwildbestände dar, weil Rehe als so genannte „Konzentratselektierer“ besonders gern nahrhafte Pflanzenteile wie Knospen oder frische Triebe fressen und dabei diejenigen Pflanzenarten bevorzugen, die selten vorkommen. Richter: „Große Flächen mit Buchennaturverjüngung wachsen auch bei hohem Rehwildbestand problemlos hoch. Das Problem ist, dass sich die Rehe als „Naschkatzen“ auf die wenigen Exemplare der selteneren Baumarten konzentrieren. Diese werden wiederholt verbissen, so dass Arten wie Eisbeere, Kirsche oder Spilzahorn oft nicht hochwachsen können“. Eichenkulturen seien ohne Zaun-schutz nicht möglich.
Der Förster lerdeutlichle: „Die seltenen Baumarten werden durch den Verbiss der Rehe niedriggehalten und langfristig von den anderen Baumartcn überwachsen und ausgedunkelt, so dass sie absterben und m folgenden Waldgenerationen nicht mehr auftreten. Wir wollen artenreiche, gemischte Waldbestände haben, die besser auf Umwelteinflüsse wie den kommenden Klimawandel reagieren können als zum Beispiel ein reiner Buchenbestand. Wenn die seltenen Baurnarten durch Rehe ausfallen, müssen sie mit großem Aufwand gepflanzt und vor Verbiss oder Fegen geschützt werden“.
Die Teilnehmer der Exkursion erfuhren, dass die vier Forstwirte des Stadtwaldes Lieh einen erheblichen Anteil ihrer Arbeitszeit mit Schutzmaßnahmen gegen das Rehwild, wie Zaunbau, Zaunkonirolle und Zaunreparalur verbringen. Die Kosten beliefen sich inklusive Materialankauf im vergangenen halben Jahr auf rund 90000 Euro bei Gesamtausgaben von 490000 Euro. Für den Waltlbesitzer, so Eckhard Richter, sei die Verhinderung von Schäden durch Rehwild also mit höhen Kosten verbunden, was den finanziellen Uberschuss des Waldes entsprechend verringere. Zum Abschluss der Exkursion wurden im Licher Stadtwald noch Früh-jahrskulluren wie Esskaslanie und Baumhasel begutachtet. Anschließend ging es in den Licher Pflanzgarten zum Grillen.