Klagen wegen „Langsdorfer Höhe“?


Gießener Anzeiger, Dienstag, 24.09.2019

Im Licher Bauausschuss wurde der Satzungsbeschluss zum umstrittenen Bebauungsplan „Langsdorfer Höhe“ mehrheitlich empfohlen. Am Mittwoch tagt das Stadtparlament.

Rund 120 Bürger waren zu der Sitzung des Bauausschusses gekommen, um sich über die Planungen für die „Langsdorfer Höhe“ zu informieren. Foto: Böhm

LICH – Es war warm im Sitzungssaal des Licher Rathauses und mit zunehmender Dauer wurde es stickig. Stadtverordnete und rund 120 Bürger bewiesen am Montagabend Durchhaltevermögen. Fast drei Stunden vergingen im Bauausschuss, bis abgestimmt wurde Die mehrheitliche Empfehlung des Ausschusses, den Satzungsbeschluss für den Bebauungsplan „Langsdorfer Höhe“ zu fassen, wurde ohne laute Reaktionen hingenommen. Auch ansonsten blieb es friedlich. Es wurde gelegentlich geklatscht und gelacht, es gab hier und da Gemurmel und in Einzelfällen wurde über missliebige Aussagen gestöhnt. Kein Vergleich zur Parlamentssitzung vor zwei Wochen, als es Pfiffe, Buhrufe und Beschimpfungen regnete.
Ausschussvorsitzender Elmar Sandhofen (CDU) wies zu Beginn darauf hin, dass er nach den Fragen der Mitglieder auch den Bürgern dazu Gelegenheit geben werde. 19 Zuhörer nutzen die Möglichkeit, ihre Kritik und Befürchtungen zu äußern.
Doch zunächst erläuterte Planer Mathias Wolf den Ablauf und die Geschichte des Verfahrens. Der Bebauungsplan wurde 2003 aufgestellt, um der Brauerei Erweiterungsmöglichkeiten zu bieten. Es gab eine erste Beteiligung der Behörden und der Öffentlichkeit. Dann ruhte das Verfahren, bis 2007/08 ein neuer Investor auftauchte und der Plan ein zweites Mal in die Offenlage ging. Doch einen Beschluss des Parlaments über die Empfehlungen des Planungsbüros gab es nicht, das Verfahren ruhte erneut bis 2017/18. Nach Rücksprache mit dem Regierungspräsidium war klar, dass man mit der Beteiligung der Behörden und der Öffentlichkeit von vorne beginnen muss. Wichtigster Unterschied zwischen 2008 und 2019: Das jetzige Beteiligungsverfahren hat 225 Seiten Unterlagen produziert, 2008 waren es 25.
Wolf wies darauf hin, dass die „Langsdorfer Höhe“ im Regionalplan als Vorranggebiet Siedlung oder Gewerbe und Industrie vorgesehen sei. Im Flächennutzungsplan der Stadt sei es Gewerbe- und Industriegebiet. In der Folge ging der Planer auf die wichtigsten Hinweise ein. Hessen Forst habe der Planung zugestimmt. Erforderlich sei eine Genehmigung für die Rodung von 166 Quadratmetern städtischen Waldes für den Kreisel an der Bundesstraße. Hessen Mobil – laut Wolf die wichtigste Stellungnahme – habe auch zugestimmt. Hinweise betreffen unter anderem den ÖPNV (Bushaltestelle in 130 Metern Entfernung), den erforderlichen Abstand des Neubaus zur Bundesstraße und die wegen Sanierung gesperrte Ortsdurchfahrt Birklar.

Nabu lehnt ab
Das Amt für den ländlichen Raum kritisiert den Verbrauch landwirtschaftlicher Flächen. Laut Planer sollen möglichst viele Ausgleichsmaßnahmen im Wald umgesetzt werden. Die Untere Naturschutzbehörde verweist auf den erforderlichen Artenschutz, unter anderem für die Zauneidechse. Dieses Thema findet sich auch in den drei Stellungnahmen des Naturschutzbundes, der das Vorhaben ablehnt. Ersatzbiotope müsse man auch für die Feldlerche und Rebhühner finden, erklärte der Planer. Die Abteilung für Bodenschutz des Regierungspräsidiums (RP) lehnt die Planungen wegen der Flächenversiegelung ebenfalls ab.
15 Bürger haben Stellungnahmen zum Bebauungsplan abgegeben. Diese betreffen die öffentlich diskutierten Kritikpunkte wie Größe der Halle, Verkehrsbelastung, Artenschutz, Versiegelung, Abwasser/Regenwasser oder Landschaftsbild. Wolf wiederholte, dass die Gebäudehöhe im Bebauungsplan 2008 bei 28 Metern gelegen habe, jetzt seien es maximal 20 Meter. Seine Bilanz: Es habe keine Hinweise oder Forderungen gegeben, den Bebauungsplan grundsätzlich zu ändern, ebenso sei keine Rechtsverletzung festgestellt worden.
Markus Engelmann, Projektverantwortlicher bei der Dietz AG, stellte in seiner Präsentation auch Auszüge aus dem Mietvertrag mit dem amerikanischen Internet-Möbelhändler Wayfair vor, der im April geschlossen wurde. Der Vertrag habe eine Laufzeit von 15 Jahren. Ausführlich ging er auf die Diskussion zur Verkehrsbelastung ein und versicherte, dass die Anzahl der Lkw-Fahrten im Mietvertrag festgelegt sei. Demnach seien es montags 807 Hin- und Rückfahrten, hauptsächlich zwischen 16 und 18 Uhr. An einem Mittwoch seien es 578, samstags 295. Es werde keine Fahrten zwischen 22 und 6 Uhr oder an Sonn- und Feiertagen geben.
Für die Erschließung des Geländes – unter anderem die Kreisel an der Bundesstraße und der Hungener Straße – werde Dietz rund 3,8 Millionen Euro investieren. Für die Instandhaltung des Kreisverkehrs an der B 457 zahle man eine hohe sechsstellige Summe an Hessen Mobil. Insgesamt investiere Dietz 75 Millionen Euro. Anfang August wollte man mit dem Bau beginnen, der in einem Jahr fertiggestellt werden soll. „Ich denke, dass wir ein guter Partner für die Stadt Lich sind“, meinte Engelmann.

Risiko bei Dietz
An der Fragerunde der Parlamentarier beteiligten sich nur Dr. Thomas Krauskopf (Grüne) und Dr. Cornelia Wagner (SPD). Krauskopf fragte unter anderem, wer die festgelegten Lkw-Zahlen überwache. Das Thema Verkehr könne man in einem Vertrag zwischen Stadt und Dietz regeln, antwortete Wolf. Wagner erkundigte sich danach, wer im Falle eines Baustopps nach einem Gerichtsurteil schadenersatzpflichtig sei. Man gehe von einer Klage gegen den Bebauungsplan aus und auch von einem Normenkontrollverfahren. Das Risiko liege bei Dietz, erklärte Bürgermeister Bernd Klein.

Kaufangebot?
In der anschließenden Bürgerfragerunde wollte Burkhard Neumann vom Bürgermeister wissen, ob es in den vergangenen drei Jahren alternative Angebote zum Kauf der Gesamtfläche gegeben habe. Klein sprach von einer „informellen Anfrage“, als man schon mit Dietz verhandelt habe. Es sei nur um einen Teil der Fläche gegangen. Neumann bestritt diese Aussage.
Mehrere Bürger beschäftigten sich mit dem Verkehr, mit der Belastung für andere Stadtteile und die Innenstadt sowie die Kontrolle der Lkw-Zahl. Zu Letzterem sagte Engelmann, dass man zwar keinen Zähler aufstellen, aber ein Augenmerk darauf haben werde. Klein betonte, dass Hessen Mobil nur für den Knotenpunkt an der B 457 ein Verkehrsgutachten gefordert habe. Aber der Lkw-Fahrer, der einmal durch die Innenstadt oder durch Muschenheim oder Birklar fahre, mache das kein zweites Mal. Laut Wolf geht Wayfair davon aus, dass der Lkw-Verkehr zu 90 Prozent die B 457 Richtung Autobahnauffahrt bei Fernwald nutzen werde.
Mehrfach angesprochen wurde auch die Frage der Regenrückhaltebecken und deren Aufnahmekapazität im Hinblick auf Klimawandel und Starkregenereignisse. Der Planer erklärte, dass sogenannte fünfjährige Regenereignisse auch bei Wohngebieten berücksichtigt werden müssten. 100-jährige Regenereignisse spielten nur bei Überschwemmungsgebieten eine Rolle.
Eine weitere Frage betraf die Begrünung des Geländes. Engelmann kündigte an, dass Bäume gepflanzt werden, die nicht 20/30 Jahren benötigen, bis sie die Höhe der Halle erreicht haben.