Tauben hat er zum Fressen gern


Der Wanderfalke ist Rekordhalter im Tierreich – Wieder acht Brutpaare im Kreis

VON KLAUS KÄCHLER im Gießener Anzeiger Nr. 206 | Mittwoch, 4. September 2024

Kreis Gießen. Wanderfalken sind die schnellsten Jäger im gesamten Tierreich: Im Sturzflug auf ihre Beute erreichen sie Spitzengeschwindigkeiten von weit über 250 Kilometern pro Stunde. Dabei jagen die faszinierenden Greife hauptsächlich Stadttauben und andere Vögel, die sie im Flug erbeuten.

Ein Wanderfalkenweibchen bei seinen Küken. Im Schnitt ziehen die Paare im Landkreis Gießen und in der Stadt zwei bis drei Junge im Jahr groß. Foto: NABU/Petri

Der Wanderfalke (Falco peregrinus) war in Hessen so gut wie ausgestorben. Ein einziges Brutpaar wurde Mitte der 1970er Jahre in einem Steinbruch am Neckar noch gezählt. Bruterfolg: Null.

Heute gibt es im Kreis Gießen wieder acht Brutpaare. Eines davon hat sich seit einigen Jahren sehr erfolgreich im Licher Stadtturm eingerichtet.

Mit stattlichen 50 Metern Höhe bietet der
Licher Stadtturm ein ideales Heim für den
Wanderfalken.
Foto: Kächler

Wenn die beiden Altvögel hier ihre Jungen aufziehen, sind die Rufe der Familie in der ganzen Altstadt zu hören. Taubenfedern am Fuße des rund 50 Meter hohen »längsten Lichers« zeugen zudem regelmäßig vom Jagderfolg der Eltern.

Zwei der drei Jungvögel, die das Licher Wanderfalkenpaar in diesem Jahr aufgezogen hat, sind auf diesem Foto zu erkennen. Foto: Zedler

Die Besuche der Touristen, die den Turm regelmäßig unter Anleitung besteigen, scheinen die faszinierenden Vögel nicht zu stören. Auch das ohrenbetäubende Geläut der Glocken macht ihnen nichts aus.
Wie Achim Zedler im Gespräch mit dem Anzeiger erläutert, bauen Falken keine eigenen Nester und haben sich von Felsenbrütern zu Turm oder Gebäudebrütern entwickelt.

„Gerne nehmen sie auch Nistkästen an, die an hohen Strommasten angebracht sind“, so der Vorsitzende des NABU-Kreisverbandes Gießen. In der Regel sei eine gute Höhe wie im Stadtturm als Ausgangspunkt für die Jagdflüge wichtig, so Zedler.
Dass der Wanderfalke fast ausgerottet wurde, geht nach seinen Worten im Wesentlichen auf nur eine Ursache zurück: Das in der Land- und Forstwirtschaft ausgebrachte Insektengift DDT.

Allmähliche Erholung

Da er am Ende einer Nahrungskette steht, reichert sich das Insektizid in seinem Körper an. Die Folge: Die Eierschalen werden immer dünner und zerbrechen beim geringsten Druck.
Seit vielen Jahren ist das DDT deshalb bei uns verboten. Zum Glück für den Wanderfalken. Nach dem Aus für das Gift, kam es zu einer ganz allmählichen Erholung des Bestandes. Inzwischen gibt es in ganz Hessen wieder mehr als 70 Brutpaare.

Im Landkreis Gießen wurden 2004 erste Wanderfalken beobachtet. Derzeit sind acht Bruten dokumentiert, eine davon in der Stadt Gießen. Allerdings waren es auch schon einmal mehr.
Besonders tragisch: Durch die Renaturierungsmaßnahme im Steinbruch Gonterskirchen, wo seit rund zwei Jahren täglich Muldenkipper Abraum von der Baustelle der A 49 abladen, ist ein Wanderfalkenpärchen, das dort zuvor gebrütet hatte, verjagt worden.

„Die meisten Paare brüten bei uns in Kästen an Hochspannungsmasten“, erklärt Zedler. Die Stromversorger zeigten sich sehr kooperativ und unterstützten die Arbeit der Vogelschützer nach Kräften, berichtet er. Dort, wo Falken in Steinbrüchen brüten, kommen sie mit einem anderen Rückkehrer in Konflikt: Der Uhu gilt als einziger natürlicher Feind des Wanderfalken.

Zu erkennen sind die Tempo-Jäger an der dunkelblau-grauen Oberseite und einer weiß- bis cremefarbenen Unterseite mit dunkler Querbänderung. Markant ist der schwarze „Helm“ der bis über die Backen reicht und sich scharf von der hellen Kehle abgrenzt. Augenringe und Beine sind gelb.
Auffallend ist der starke Größenunterschied zwischen den Geschlechtern: Während das Weibchen fast so groß wie ein Bussard werden kann, ist das Männchen deutlich kleiner und wird nur etwa so groß wie eine Taube. Mit seinen starken Krallen kann es dennoch auch größere Vögel schlagen.

Gehasst und geliebt

Da Tauben nunmal zur Leibspeise der Falken gehören, sind die geschickten Jäger unter Brieftaubenzüchtern oftmals verhasst. So kommt es leider immer noch vor, dass die stolzen Vögel geschossen oder vergiftet werden.
Auf einen anderen Aspekt weist Achim Zedler hin: „Während anderswo – wie etwa in Limburg – heftig diskutiert wird, wie man der Taubenplage in den Innenstädten Herr werden kann, dürfte man in Lich solche Probleme nicht bekommen“. Der „städtische Mitarbeiter“ Wanderfalke sorge zuverlässig und auf natürliche Weise dafür, dass die Taubenpopulation nicht überhand nehmen werde.