Gießener Anzeiger vom 20.08.2010
Regenerative Energien: NABU Hessen stellt Positionspapier zu Windkraftanlagen vor – „Abweichverfahren dürfen nicht zur Norm werden“
GIESSEN/MITTELHESSEN (kjf) In einem Positionspapier zur Windkraft stellten Vertreter des Naturschutzbunds (NABU) Hessen ihre Forderungen zum naturverträglichen Ausbau des regenerativen Energieträgers vor. Der Plan des Landes Hessen zur Steigerung des Anteils an erneuerbaren Energien auf 20 Prozent werde zu einer Verdoppelung oder Verdreifachung der Anzahl hessischer Windkraftanlagen führen, so der NABU.
„Grundsätzlich sehen wir den Ausbau der regenerativen Energiegewinnung positiv“, so Hartmut Mai, der Landesgeschäftsführer des NABU Hessen. Es sei dabei aber unbedingt erforderlich, dass hessenweit klar definierte Ausschlussflächen ausgewiesen würden, die auch nicht durch Abweichverfahren umgewidmet werden dürften.
Der NABU schlage als Ausschlussflächen neben den Naturschutzgebieten und dem Nationalpark Kellerwald alle EU-Vogelschutzgebiete mit einer Größe von weniger als 10000 Hektar vor. Dazu müsse es Windanlagenfreie Zugkorridore entlang der stark frequentierten Vogelzugwege geben und auch überregional bedeutsame Brut- und Rastplätze geschützter Arten seien von der Bebauung durch Windkraftanlagen auszunehmen.
Besonders besorgt sind die NABU-Aktivisten wegen der steigenden Zahl von Abweichungsverfahren. So gebe es bereits im Nordhessischen Wolfhagen Abweichverfahren, die Windkraftanlagen in Flächen zulassen sollen, die im Regionalplan dem Naturschutz vorbehalten sind. Im Vogelsberg gebe es in Freiensteinau bereits drei, in Herbstein zwei Abweichverfahren, ergänzte Karl-Heinz Zobich. Der NABU-Vertreter aus dem Vogelsbergkreis verwies darauf, dass bei einigen der bestehenden Anlagen auch der vorgeschriebene Mindestabstand zu Brutgebieten, wie etwa dem des Schwarzstorchs unterschritten sei.
Abweichverfahren dürfen nicht zur Norm werden“, stellte Hartmut Mai klar. Der NABU fordere eine Landesweite Konzeption. Auch den Bau von Windkraftanlagen im Wald werde vom NABU nicht beanstandet, Besonders wertvolle Waldgebiete, wie Altholzbestände, Prozessschutzflächen und historisch alte Wälder sollten aber Anlagenfrei bleiben. Auch sollte es Gebiete geben, deren ungestörtes Landschaftsbild erhalten bleiben solle. Der NABU schlage dafür den hessischen Teil des Biosphärenreservats Rhön und das Waldecker Upland vor.
Eine besondere Verantwortung trage das Land Hessen für den Rotmilan, so der Ornithologe Maik Sommerhage. 50 % des weltweiten Brutvorkommens dieses Greifvogels liege in Deutschland, ein großer Teil davon in Hessen. Natur- und Artenschutz auf der einen und Umweltschutz auf der anderen Seite müssten wertgleich betrachtet werden, da es nur selten konfliktfreie Windenergiestandorte geben.
Im Zuge des Ausbaus der regenerativen Energieanlagen müsse ein Austausch der alten, abgeschriebenen Anlagen gegen moderne, leistungsfähigere stattfinden. Es müsse eine landesweit einheitliche Planung erfolgen, die den beiden Nachhaltigkeitszielen Klimaschutz und Erhalt der biologischen Artenvielfalt gleichsam gerecht werde Weitere Informationen unter www.nabu-hessen.de.